Google baut das vernünftigste Handy der Welt

Das Google Pixel 5 ist das Gegenteil des Jahres 2020. Die vergangenen 300 Tage sind mit turbulent nur unzureichend beschrieben, die US-Wahl steht noch bevor. Und während sich die Ereignisse überschlagen, baut Google das wohl langweiligste Handy der Welt. Das macht aber nichts, denn das Pixel ist nicht nur ein unspektakuläres, sondern auch ein sehr gutes Smartphone.

Man könnte auch sagen: Es ist ein Corona-Handy. Im Vergleich zum Vorgänger verzichtet Google auf die Entsperrung per Gesichtserkennung und verbaut einen Fingerabdrucksensor - die Gesichtserkennung funktioniert mit Maske ja eh nicht. Die innovative, aber unausgereifte Gestensteuerung, bei der man vor dem Display herumwedeln sollte, um etwa zum nächsten Song zu springen? Weg damit! Auch Telekamera, Glasrückseite und High-End-Prozessor wurden wegrationalisiert.

Damit wird das Pixel zu einem Smartphone der Vernunft. Der Einführungspreis liegt fast 400 Euro unter der XL-Variante der vierten Generation. Die 613,14 Euro - Google gibt die Mehrwertsteuersenkung centgenau weiter - könnten besser in eine Zeit passen, in der viele Menschen keine vierstelligen Beträge für neue Technik übrig haben. Auch bei der Größe geht Google neue Wege. Das normale Pixel 4 mit 5,7 Zoll und die XL-Ausgabe mit 6,3 Zoll verschmelzen. Jedes neue Pixel hat ein 6-Zoll-Display, 128 GB Speicher und kostet gut 600 Euro. Die Qual der Wahl beschränkt sich auf die Farbe: Schwarz oder ein Grünton.

Google gibt das Wetteifern mit Apple auf
Zum ersten Mal wird das Pixel also günstiger. Zum ersten Mal gibt es nur noch ein Modell. Und zum ersten Mal bringt Google ein Smartphone auf den Markt, das teils hinter seinem Vorgänger zurückbleibt. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer werden den langsameren Prozessor nicht bemerken, die Leistung bei Spielen leidet aber spürbar. Das Pixel 4 war das einzige Android-Gerät, das sich schnell, sicher und zuverlässig per Gesichtserkennung entsperren ließ. Statt Tele- durch Weitwinkelkamera zu ersetzen, hätte Google auch einfach drei Kameras verbauen können. Andere Hersteller machen das seit Jahren.

Als Google vor vier Jahren die Pixel-Serie startete, interpretierten manche das als Kampfansage an Apple. Das Pixel war für Menschen gedacht, die hochwertige Hardware, schnelle Updates und ein Betriebssystem ohne Verschlimmbesserungen der Hersteller wollten - denen aber die vergleichsweise offene Android-Welt mehr zusagte als das geschlossene Ökosystem von Apple. Die Pixel-Geräte kamen mit Kinderkrankheiten und verkauften sich schlecht. Sie hatten aber auch viele treue Fans und zeigten, dass die beste Handykamera nicht unbedingt in einem iPhone stecken muss.

Das Wetteifern mit Apple gibt Google nun offensichtlich auf. Das Pixel 5 soll nicht mehr das bestmögliche Android-Smartphone sein. Es soll sich verkaufen und mehr Menschen für Googles Dienste und Software begeistern. Denn das ist und bleibt die größte Stärke eines Google-Geräts: Die Hardware mag mittelprächtig sein, die Software reißt es an vielen Stellen wieder raus.

Tolle Fotos, aber ein Rückschritt beim Zoom
Am deutlichsten zeigt sich das bei der Fotoqualität. Seit Jahren verbaut Google den gleichen Sony-Sensor, der auf dem Papier längst nicht mehr mit der Konkurrenz von Samsung, Huawei und Apple mithalten kann. Doch Googles Algorithmen holen aus dem Rohmaterial so viel heraus, dass die Bilder immer noch zu den besten zählen, die man mit einem Handy schießen kann. Die Farben sind kräftig, aber weniger knallig als etwa bei Samsung. Andere Hersteller bieten mehr Kameras und mehr Megapixel, aber beim Pixel sieht fast jedes Fotos bei fast allen Lichtverhältnissen gut aus - das gelingt sonst selten.

Google sagt, man habe auf vielfachen Wunsch ein Weitwinkelobjektiv verbaut. Für Landschaftsaufnahmen ist das tatsächlich praktisch, die Bildqualität fällt im Vergleich zur Hauptkamera jedoch ab. Gleichzeitig schmerzt die fehlende Telekamera. Der digitale "Super Res Zoom" funktioniert gut, kann aber nicht mit echtem optischen Zoom mithalten.

Zumindest bei den Videos macht Google nicht zwei Schritte vor und einen zurück. Das Pixel 5 zeichnet erstmals 4K-Aufnahmen mit 60 Bildern pro Sekunde auf, die optische Bildstabilisierung wurde ebenfalls verbessert. Funktionen wie "Cinematic Pan", das verlangsamte, wackelfreie Schwenks mit Kinoanmutung liefert, sind eine Spielerei - aber eine, die Spaß macht und nett aussieht.

Endlich ein Akku, der den Namen verdient
Die größte Schwäche des Pixel 4 war die Akkulaufzeit. Vor allem das kleine Modell hält kaum einen Tag durch. Aus diesem Fehler hat Google gelernt und vergrößert den Akku von 2800 auf 4080 mAh. Damit hat die ständige Suche nach Steckdosen endlich ein Ende. Das Pixel 5 läuft und läuft. Und wenn der Akku doch zur Neige geht, gibt es einen "Extrem-Energiesparmodus", der alle Hintergrund-Apps stoppt und aus wenigen Prozent Kapazität noch ein paar Stunden herausquetscht.

Gewissermaßen verkörpert der Akku das ganze Pixel: Rundum solide und verlässlich, aber die aufregenden Funktionen fehlen. Seit vier Jahren laden Pixel-Handys mit 18 Watt, Hersteller wie Oneplus und Xiaomi bieten ein Vielfaches. Ob man das dann wirklich braucht oder die zusätzliche halbe Stunde gar keine Rolle spielt, weil das Smartphone eh über Nacht an der Steckdose hängt, ist eine andere Frage. Aber zumindest auf dem Papier kann Google nicht mithalten.

Fazit: Das Gesamtpaket stimmt immer noch
Seit die SZ Pixel-Handys testet, heißt es in jedem Text: Kein anderes Android-Gerät kommt der iPhone-Erfahrung so nah, nur hier kommen Hardware und Software aus einer Hand. Diese Tradition setzt Google fort. Wer das flüssigste Betriebssystem und immer die neueste Android-Version will, greift zum Pixel 5. Doch für die meisten Menschen sind Software-Updates kein Verkaufsargument. Beeindruckende Benchmarks oder Extras wie 120-Hertz-Display, Zehnfach-Zoom oder superschnelles Laden fehlen völlig.

Das Gesamtpaket stimmt trotzdem: Das Pixel 5 ist nicht das leistungsfähigste, aber das wohl stimmigste Smartphone, das Google bislang gebaut hat. Das neue iPhone 12 Pro spielt in einer anderen Liga, kostet aber auch das Doppelte. Aus dieser Preisklasse scheint sich Google endgültig verabschiedet zu haben.

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Google Handys Akku


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